Zusammenfassung: Das Große Umdenken
Wie ein neues ökonomisches Paradigma und
Nachhaltigkeitstransformationen Hand in Hand gehen
Die Umsetzung einer Nachhaltigen Entwicklung ist eine äußerst komplexe Systemherausforderung. In 40 Jahren Nachhaltigkeitsdiskussion und -agenda haben sich nur wenige fundamentale Trends verändert. Die Rufe nach “radikalem Wandel”, “großer Transformation”, “Systeminnovationen” oder “Paradigmenwechsel” werden immer lauter. Doch was heißt das genau und wie können solche grundlegenden Wandlungsprozesse umgesetzt werden?
Hierauf will dieses Buch eine Antwort geben. Es kombiniert die bestehende Forschung zu Systemtransformationen mit Theorien politischer Ökonomie und dem Wissen über Change-Leadership. Damit bricht es mit einem Transformationsverständnis, das noch viel zu stark dem Blick auf Technologien und ökonomische Anreize verhaftet ist und stellt Menschen als die richtungsgebende Instanz in den Mittelpunkt. Sozio-technische-ökologische Systeme verändern sich laufend und für jede strategische Vorausschau lohnt es sich, ihre Pfadabhängigkeiten, Rückkopplungsschleifen und non-linearen Dynamiken gut zu ergründen. Doch bewusste Interventionen zur Veränderung dieser Pfadabhängigkeiten können am Ende nur absichtsvoll handelnde Menschen auf den Weg bringen. Die Entscheidung, wie Trends interpretiert werden und wann, wie und zu welchem Zweck man sie beeinflusst, treffen reflektierende Akteure.
Im Zentrum des Buches steht deshalb die Veränderung von Mindsets, d.h. der Ideen, Überzeugungen und Orientierungsmuster mit denen Akteure die technologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Innovationen und Institutionen vorantreiben. Hier liegt die Wurzel radikalen Wandels, systemischer Innovation und großer Transformationen. Als für Nachhaltige Gesellschaften besonders problematisches Mindset diskutiert das Buch das seit dem 19. Jahrhundert dominierende ökonomische Paradigma und dessen kontinuierliche Verankerung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Mit dem Ziel „grenzenlosen materiellen Wachstums“ als positiver Entwicklungsvision erscheinen Vorstöße zum Schutz der Umwelt und sozialen Standards als Einschränkungen der Wettbewerbsfähigkeit, Hemmnisse der Produktivität und Abschwächungen des Wachstums. Mensch wie Natur sind in diesem Paradigma als primär als Produktionsfaktoren definiert.
Das Buch zeigt Wesen und Wirkungen dieses Paradigmas auf und erläutert, warum das Ziel vom “Gutem Leben” in Harmonie mit der Natur im 21. Jahrhundert nur mit einem Great Mindshift angestrebt werden kann, der eine fundamentale Neuausrichtung ökonomischen Handelns umfasst. Dafür wird der Begriff des “Re-Purposing” komplexer Systeme eingeführt: wenn mehr von dem gleichen nicht mehr ausreicht, gehören Sinn- und Zweck von menschgemachten Systemen auf den Prüfstand. In dieser reflexiven Aufgabe liegen die Schlüssel jeder intentionalen radikalen Transformation – die dann durch viele, viele inkrementelle Schritte umgesetzt werden wird.
Das Buch vergleicht Initiativen wie die Transition-Town-Bewegung, die Gemeinwohl-Ökonomie, die Commons-Bewegung oder Beyond-GDP Ansätze wie das Bhutanesische Brutto-Glücks-Produkt als Prototypen des Repurposing und findet nicht nur die geteilte Ablehnung zentraler Ideen und Konzepte des traditionellen ökonomischen Paradigmas, sondern auch so einige Gemeinsamkeit in der Neudefinition zentraler Auffassungen, Prinzipien, Indikatoren und Ziele.
Im Ausblick präsentiert das Buch einen um Mindsets erweiterten Ansatz von Transformative Literacy, mit dem heute normale Lösungen gesellschaftlicher Gestaltung als das Ergebnis historischer ideenbasierter, intentionaler Interaktionen zwischen Menschen und politischen Gruppen dechiffriert werden können. Diese Transformative Literacy versteht sich als Beitrag für eine deliberative Suche nach zukunftsgerechten Lösungen und Waffe gegen Argumente wie „es gibt keine Alternative“ oder „das war schon immer so.“ Sie erkennt die Existenz von multiplen rationalen Perspektiven an, fordert aber auch das konstruktiv-kritische Hinterfragen von Glaubenssätzen, Grundannahmen und wissenschaftlichen Modellen, so dass Wissen, Interessen und Werturteile getrennt betrachtet werden können.
Das Buch möchte damit nicht nur die konzeptionelle Debatte zu Systemtransformationen vertiefen, sondern Akteure der Nachhaltigkeitstransformationen durch Konzepte, strategische Überlegungen und das Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten unterstützen: es ist in einer Sprache verfasst, die es auch als Kompass für die vielen Bewegten und Aktiven , die mit ihren Initiativen Motor komplexer Transformationsprozesse sind und zugleich Ausdruck des sich vollziehenden “Great Mindshifts”.